Im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung soll das LkSG Menschen vor Sklavenarbeit, Zwangsarbeit, Menschenhandel, gefährlicher Arbeit und Ausbeutung entsprechend den Vorschriften der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und den einschlägigen Artikeln des Internationalen Paktes über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte (UN-Sozialpakt) schützen. Besonders schützenswert sind im Zusammenhang mit der Gefährdung des Kindeswohls (Art. 3 KRK) die Rechte der ca. 168 Millionen Kinder und Jugendlichen, die weltweit auf Kakao-, Kaffee- und Tabakplantagen – oft im Kontakt mit Pestiziden – schwerste Arbeiten verrichten, in Fabriken unter ausbeuterischen Bedingungen Elektronik, Kleidung und Spielzeug herstellen oder gesundheitsgefährdend Bodenschätze aus Minen fördern.
Vor dem Hintergrund der Entwicklung ähnlicher Gesetze in mehreren Staaten und auf europäischer Ebene ist dieses Gesetz das erste in Deutschland, das verbindliche Standards für Unternehmen in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt festlegt. Es markiert einen Paradigmenwechsel gegenüber den bisher vorherrschenden freiwilligen Standards und der Selbstregulierung, spiegelt jedoch die Umsetzung eines wenig ehrgeizigen politischen Kompromisses wider, der nicht in der Lage sein wird, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen und die Umwelt wirksam zu schützen. In vielen entscheidenden Punkten konnte der Gesetzentwurf dem massiven Druck der Wirtschaftsverbände und gewisser politischer Vertreter nicht standhalten. Durch die Abschwächung während der Beratungen verliert er an Wirksamkeit und bleibt in wichtigen Punkten hinter den UN-Leitlinien zurück:
Das Lieferkettengesetz gilt ab 1. Januar 2023 nur für Unternehmen über 3.000, ab 2024 dann für Unternehmen über 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland. Die Sorgfaltspflichten gelten nur für unmittelbare, nicht aber für mittelbare Zulieferer. Für mittelbare Zulieferer müssen Unternehmen eine Risikoanalyse nur anlassbezogen bei „substantiierter Kenntnis“ von Menschenrechtsverletzungen durchführen. Bekanntlich entstehen aber die meisten Menschenrechtsverletzungen am Beginn der Lieferketten.
Ohne neue Rechtsmittel zu schaffen, führt das Gesetz die Möglichkeit für Opfer von Menschenrechtsverletzungen ein, ihre bereits bestehenden, jedoch begrenzten Rechtsmittel vor deutschen Gerichten über Gewerkschaften und NRO geltend zu machen. Die Opfer können auch verlangen, dass das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) tätig wird. Machen Betroffene wegen Verstößen gegen die Sorgfaltspflichten eines Unternehmens ihre Rechte beim BAFA geltend, muss das BAFA tätig werden, dem Vorwurf nachgehen und gegebenenfalls Bußgelder verhängen, die sich am Gesamtumsatz des Unternehmens und an der Schwere des Verstoßes orientieren. Bei schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen sieht das Sorgfaltspflichtengesetz einen vorübergehenden Ausschluss von der öffentlichen Auftragsvergabe mit einer Geldstrafe von mindestens 175.000 Euro vor. Es ist jedoch fraglich, ob vom BAFA als oberster Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie erwartet werden kann, dass es adäquate Maßnahmen ergreift und mit den notwendigen Garantien der Unabhängigkeit handelt.
Leider regelt das Gesetz auch nicht die zivilrechtliche Haftung von Unternehmen, die durch die Nichteinhaltung ihrer Sorgfaltspflichten Schaden verursachen oder dazu beitragen, oder die mit Menschenrechtsverletzungen in ihrer Wertschöpfungskette in Verbindung gebracht werden. Das bedeutet, dass die Anliegen der dritten Säule der UN-Leitprinzipien wie die Möglichkeit des Rechtsschutzes unter Beteiligung der Betroffenen, ein wirksamer Rechtsbehelf und eine Entschädigung für den entstandenen Schaden im deutschen Recht nicht gewährleistet sind und damit die notwendige abschreckende und vorbeugende Wirkung auf Unternehmen verfehlt wird.
Im Umweltbereich bezieht sich das Sorgfaltspflichtengesetz lediglich auf drei von Deutschland ratifizierte Übereinkommen: Die Vermeidung von langlebigen Schadstoffen nach der Stockholmer POP-Konvention, die Freisetzung von Quecksilber-Emissionen nach dem Minamata-Übereinkommen und die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung nach dem Basler Übereinkommen. Das reicht nicht aus, um alle Risiken im Bereich der Schutzgüter Boden, Wasser und Luft für die Menschen, vor allem am Beginn der Lieferkette zu erfassen.
Das kürzlich von Deutschland ratifizierte Übereinkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ist das einzige rechtsverbindliche internationale Instrument zum Schutz der Rechte indigener Völker. Das deutsche Recht bietet jedoch keine Möglichkeit, ihre Rechte zum Schutz ihrer Lebensräume vor gewaltsamen Vertreibungen und der Zerstörung der Tropenwälder zu stärken. Das in der ILO-Konvention 169 enthaltene Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung der indigenen Völker ist ebenso wenig vorgesehen wie die Gleichstellung der Geschlechter. Geschlechtsspezifische Gewalt und Diskriminierung werden nicht als Menschenrechtsverletzungen aufgeführt, obwohl bekannt ist, dass sie in globalen Lieferketten weit verbreitet sind.
Die EU und ihre Mitgliedstaaten sind nicht nur aufgrund der UNLP, sondern auch aufgrund der Artikel 3 und 21 des Lissabon-Vertrags verpflichtet, im Rahmen der Handels- und Investitionspolitik die Menschenrechte im In- und Ausland zu achten und zu fördern. Unter großer Zustimmung der Mitglieder des Europäischen Parlaments wurde am 10. März 2021 der „Legislativbericht über menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten von Unternehmen“, der über die Ansprüche des deutschen LkSG deutlich hinausgeht, mit einer fraktionsübergreifenden Mehrheit von 504 Stimmen verabschiedet. Im Zusammenhang mit dem gegen Ende des Jahres zu erwartenden Richtlinienvorschlag der Kommission bedarf es der aufmerksamen Begleitung der Zivilgesellschaft, damit die strengeren Empfehlungen des Europäischen Parlaments sowie die Vorgaben der UNO respektiert und verstärkt und nicht durch das Votum des Europäischen Rats menschenrechtswidrig abgeschwächt werden.
Die FIDH und die Internationale Liga für Menschenrechte kritisieren die Unzulänglichkeiten des LkSG und fordern die Europäische Union auf, mit einer menschenrechtskonformen und umweltorientierten Richtlinie den Rahmen für ein verbessertes Gesetz vorzulegen. Sie erwarten vom nächsten Bundestag die Verabschiedung eines LkSG, das die Standards der internationalen Konventionen respektiert durch:
– die Verpflichtung aller Unternehmen
– die Erfassung aller mittelbaren und unmittelbaren Zulieferer der Liefer- und Wertschöpfungskette eines Unternehmens
– die zivilrechtliche Haftungsregelung für geschädigte Personen und verursachte Umweltschäden
– die Garantie und den Schutz des Rechts auf freie, vorherige und informierte Zustimmung der indigenen Völker
– das Verbot und die Verfolgung von geschlechtsbezogener Gewalt und Diskriminierung entlang der Lieferketten
– die Schaffung eines neutralen Kontrollorgans außerhalb des Bundeswirtschaftsministeriums
Die FIDH und die Internationale Liga für Menschenrechte beobachten die weitere Entwicklung und appellieren weltweit an die Menschenrechtsorganisationen vor Ort, Verletzungen von Menschenrechten öffentlich zu machen und dem BAFA zu melden.